Tom Buhrow: Der Marathon-Mann

Im Fernsehstudio ist seine Redezeit begrenzt. Da kommt es auf jede Sekunde an. Dabei kann der Tages- themen-Moderator Tom Buhrow (51) mit seinen Geschichten locker einen ganzen Abend füllen. Bei einer Lesung in seiner Heimatstadt Siegburg gab er gemeinsam mit seiner Frau Sabine Stamer fast zwei Stunden lang pointenreich Einblicke in seine Zeit als Amerika-Korrespondent der ARD. Tom Buhrow ist eine rheinische Frohnatur und besitzt bei allem, was er tut, einen langen Atem – das gilt für seinen Beruf, für Lesungen, aber auch für den Sport. Überall, wo er bislang lebte, lief er einen Marathon, zuletzt in Hamburg.

Welt am Sonntag: „Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, dann sag’ besser gar nichts“ – wenn es nach dieser amerikanischen Devise ginge, würde es bei den Tagesthemen manchmal sehr still.

Tom Buhrow: Ja, absolut richtig. Aber der Satz bezieht sich natürlich auf das soziale Miteinander in den USA. Die Amerikaner bringen diese Höflichkeitsformen schon ihren Kindern bei. Im Nachrichtengeschäft ist das unmöglich. Da dominieren schlechte oder besorgniserregende Ereignisse. Die kann ich natürlich nicht ausblenden. Und die kann ich nicht freundlich verkaufen.

Dennoch kommen Sie beim Zuschauer nett und freundlich an ...

Buhrow: Okay, sagen wir: Ich muss schlechte Nachrichten angemessen rüberbringen. Und wenn man mir nachsagt, ich sei freundlich, habe ich bestimmt kein Problem mit der Beschreibung.

Ihr Vorname klingt schon so nett – und so amerikanisch. Klären Sie uns auf: Im katholischen Rheinland, wo Sie 1958 geboren wurden, hieß man zu dieser Zeit Thomas, nicht Tom? Buhrow: Natürlich. Thomas ist mein Taufname, so steht’s in meiner Geburtsurkunde. Nach Thomas dem Ungläubigen (lacht): Wie sich das für einen Journalisten gehört! Aber tatsächlich wurde ich Zuhause in Siegburg und in der Schule immer Tom genannt. Obwohl es in meinem Elternhaus keinen Bezug zu Amerika gab.

Für Amerika war’s einfacher mit dem Rufnamen, oder?

Buhrow: Na ja, da musste ich mich trotzdem dran gewöhnen. Die Amerikaner sagen ja nicht Tom, die sagen ja „Tam“, das O wird fast wie A gesprochen.

Gehen wir Ihrer Frohnatur noch mal auf den Grund: Sie haben als WDR- Mann lange in Köln gelebt, da wird man automatisch mit dem Karnevalsbazillus infiziert.

Buhrow: Ich bin durch das ganze rheinische Programm gegangen – von Kindesbeinen an. Ich hab sogar mal auf einer Kindersitzung eine Büttenrede gehalten, und auch in meiner Korrespondentenzeit jede Chance genutzt, an den närrischen Tagen dabei zu sein. Von Washington aus war das etwas schwierig, aber während meiner Zeit als Paris- Korrespondent habe ich an Karneval die Familie ins Auto gepackt und dann ging’s nach Köln.

Haben Sie für den Rosenmontag 2010 schon Ihren Urlaubsantrag eingereicht?

Buhrow: Ja, habe ich. Und ich den- ke auch, dass das klappt. Meine Tagesthemen-Kollegin Caren Miosga ist kein geborener Karnevalsfan. Das war früher mit Anne Will, die ja als Kölnerin auch feiern wollte, natürlich schwieriger.

Auf einem Karnevalswagen mitgefahren sind Sie schon. Fehlt doch eigentlich nur noch „Emol Prinz zu sin ...“

Buhrow: (lacht) Das kann ich mir nicht leisten. Das ist eher was für Geschäftsleute. Dazu muss man auch in der Stadt wohnen und die ganze Session mitmachen. Aber die Zugerfahrung von 2008 bleibt unvergesslich. Das war ein berauschendes Ereignis.

Wie sehr hat Sie Ihre Heimat geprägt?

Buhrow: Köln als Rheinmetropole war das Zentrum. In der Nähe meines Elternhauses gibt es einen hohen Punkt, von dem aus kann man bei gutem Wetter die Spitzen des Doms sehen. Ich liebe diese leichten Hügel und Täler im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis und im Bergischen Land, die Wälder mit ihren Rinnsalen und Bächen. Und natürlich mag ich die Sprache und das Brauchtum im Rheinland. Im Frühjahr kam immer der Junggesellenverein zum Singen von Haus zu Haus. Da gibt’s ein Lied, das ging ungefähr so (singt auf Kölsch): „Küsst de nit, dann holle mer dich, mit dem Stock versolle mer dich, sin mer nit leev jong.“ (Anm. d. Red: Kommst du nicht, dann holen wir dich, mit dem Stock versohlen wir dich, sind wir nicht liebe Jungs?) Für den Gesang gab’s ein bisschen Geld, und zu Pfingsten wurde auf der Wiese an der Sieg dann vom Verein ein großes Pfannkuchenfest ausgerichtet.

Welche rheinischen Spezialitäten vermissen Sie in Hamburg?

Buhrow: Ich esse gerne Reibekuchen, rheinischen Sauerbraten und sehr gern „Himmel un Äd“ (Anm. d. Red.: Kölsches Regionalgericht mit Kartoffelpüree und gebratener

Blutwurst) Letzteres findet man im Norden natürlich so gut wie gar nicht.

Als Schüler mussten Sie Torfsäcke in einer Gärtnerei schleppen, das haben Sie mal als Ihren „schlimmsten Job“ bezeichnet.

Buhrow: Na ja, vielleicht sage ich besser: Es war mein schwerster Job im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe dann alles darangesetzt, andere Mitarbeiter zu überreden, mir die Schlepperei abzunehmen. Bis einer mal sagte: „Quake, dat kannste!“ – und da dachte ich, dass ich vielleicht doch besser mit meinem Mundwerk mein Geld verdienen sollte.

Haben Sie deshalb zu Beginn Ihrer Fernseh-Karriere genau aufgeschrieben, wo Sie später mal landen möchten?

Buhrow: Ich will mal vorwegschicken: Nichts ist so leicht, wie es aussieht. Am Anfang meiner Laufbahn fühlte ich mich in meiner Entwicklung blockiert. Ich war in der Nachrichtenredaktion, wollte aber lieber Reporter sein. In dieser Frustphase habe ich mir verschiedene Strecken mal genau zurechtgelegt. Es hilft immer, etwas aufzuschreiben und sich klar zu machen. Ich wusste, ich will nicht Chefredakteur werden. Ich wusste auch, ich muss meinen Moderationsjob bei der Aktuellen Stunde, so gern ich ihn gemacht habe, loslassen, musste als Reporter für die Tagesschau wieder raus, um mein langfristiges Ziel zu erreichen.

Das Sie mit 48 erreicht hatten.

Buhrow: Tatsächlich stand die Tagesthemen-Moderation als Ziel meiner Träume auf diesem Zettel, ja. Das war der Olymp.

Damit war auch klar, dass Ihre zehn Jahre als Korrespondent in Washington nur eine Station bleiben würden? Buhrow: Man könnt’s jetzt rheinisch salopp sagen: Wenn ich länger dageblieben wäre, wäre ich einer von 300 Millionen freundlichen Amerikanern geworden. Hier (lacht herzhaft) bin ich als freundlicher Mensch was Besonderes! Ich habe dieses amerikanische Lebensgefühl im Herzen und gebe es weiter, egal was um mich rum los ist.

Sie haben bislang geschafft, in jeder Stadt, in der Sie länger tätig sind, jeweils einen Marathon zu laufen. Das kann mit guter Laune allein nicht funktionieren.

Buhrow: Nein, dazu braucht man erstens einen klaren Entschluss, zweitens jede Menge Vorbereitung und drittens Zielstrebigkeit, dann man darf sich auch nicht entmutigen lassen, wenn mal das Wetter schlecht ist oder Bekannte und Verwandte einem das gesamte Vorhaben ausreden wollen. Für meinen Beruf wie für mein Privatleben gilt: Ich habe ein gutes Gespür dafür, was mich entflammt. Man wird nicht zufrieden, wenn man nicht sein eigenes Leben lebt, sondern den Plänen und Lebensentwürfen anderer hinterher rennt. Deshalb bin ich auch immun gegenüber dem, was andere von mir denken.

Und deshalb könnte Tom Buhrow auch eines Tages was total Verrücktes tun – zum Beispiel seinen heiß geliebten, aus Amerika importierten Riesengrill auf einen Marktplatz stellen und Truthähne braten?

Buhrow: Ja, die Grillleidenschaft habe ich aus den USA mitgebracht, den großen Räuchergrill auch und jede Menge Spezialrezepte. Erstmal habe ich für dieses Hobby wenig Zeit, aber vielleicht starte ich nach meiner aktiven Fernsehzeit eine Serie deutsch-amerikanischer Grillwettbewerbe.

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